10 JAHRE IM BUSINESS

Pandemie hin und her, Jubiläen muss man feiern wie sie fallen. Domina und Bordoll Geschäftsführerin Evelyn Schwarz feiert 10 Jahre im Business. 10 Jahre sind eine lange Zeit und eine Zeitspanne, die das ein oder andere Geheimnis birgt. Wir sprachen mit Evelyn über die Vergangenheit und das jetzt und morgen.

 

HS: Herzlichen Glückwunsch. 10 Jahre im Geschäft das muss man erst einmal schaffen, gerade in Zeiten wie diesen. 

Vielen Dank und schön, dass Du mich zu einem Interview “geladen” hast 😉 

 

HS: Bitte erzähle einmal wie es bei Dir angefangen hat? 

Im Prinzip wurde der erste Stein für meine heutige Karriere schon 1998 gelegt als ich mit 11 Jahren eine Doku über Prostituierte in den 90ern im TV sah…ich war fasziniert von diesen wunderschönen Frauen in ihrer schicken Kleidung und dem tollen Schmuck den sie trugen und dann stiegen sie in ihre Nobelkarosse ein und fuhren in ihr Penthouse – absolut selbstbewusst und zufrieden…so wollte ich auch einmal sein – doch damals verstand ich den Hintergrund dessen noch nicht so ganz. Die Fortsetzung dessen gab es dann 2011…ein halbes Jahr zuvor hatte ich meinen Ex-Mann und mein zuhause in Nacht und Nebelaktion mit nicht mehr als einer Sporttasche mit Kleidung von mir dabei verlassen…dementsprechend saß ich in einer völlig leeren 2-Zimmer-Wohnung und ohne Job, da es mich in eine andere Stadt verschlagen hatte und ich überlegte wie ich schnellstmöglich an Möbel, etc. kommen sollte…beim Durchblättern der Stellenannouncen im Stadtanzeiger stieß ich auf eine Anzeige aus Wuppertal: “Escorts gesucht / hohe Verdienstmöglichkeiten / freie Zeiteinteilung” und ich rief an. Einen Tag später dann war es schon so weit – ich hatte meine ersten Kunden und mein erstes Geld…und ich hatte Blut geleckt 😉 

 

HS: Kannst Du Dich an den ersten Kunden erinnern? 

Ich denke, den ersten Kunden vergisst man nie…er war Mitte 30, gutaussehend und gepflegt, sowie sehr höflich und respektvoll mir gegenüber…er merkte, dass ich extrem aufgeregt war und schaffte es mir meine Nervosität schon in den ersten Minuten zu nehmen, sodass auch ich das Date genießen konnte. 

 

HS: War die Domina schon immer eine Art „Traumjob“?  

Die Domina war eigentlich nie geplant – sie wurde quasi herausgekitzelt.  Ich stand schon selbst immer auf sexy Kleidung aus Lack & Leder, sowie Overknee-Stiefel und habe dementsprechend 2013 auch Bilder diesbezüglich veröffentlicht…daraufhin riefen unzählig viele Männer in dem Club in Düsseldorf in dem ich damals beschäftigt war an, dass sie eine Session mit mir haben wollten…die Chefin lehnte diese Anfragen jedoch immer wieder ab, weil ich keinerlei Erfahrung im BDSM hatte und sie war leider auch nicht gewillt mir ihr Wissen zu vermitteln – sie teilte mir nur mit, dass ich eins, zwei Jahre als Sklavin agieren müsse, um die andere Seite praktizieren zu können, damit ich die bizarre Welt verstehe…neugierig wie ich war willigte ich ein, obwohl ich eigentlich schon wusste, dass mir der devote Part nicht gefallen würde und ließ mich auf zwei Sessions als Sklavin ein – doch wie geahnt hatte ich weder Spaß noch den Drang es weiter zu praktizieren und kommunizierte es auch so. Doch wer hätte es gedacht, nachdem gefühlten 100sten Anruf bezüglich “ich will Evelyn als Domina buchen” knickte das Oberhaupt ein und vereinbarte den Termin…sie warf mich ins kalte Wasser und sagte: “Na, dann mach mal!”, mit einem fast schon fiesen Grinsen auf den Lippen. Ich war völlig überfordert und wusste weder die Bezeichnung der einzelnen Folterinstrumente noch was man damit anstellte und dies sagte ich dem Gast auch ganz ehrlich…seine Reaktion war traumhaft, denn er sagte: “Nicht schlimm, komm ich zeig Dir alles und Du probierst es an mir aus – ich bin froh darüber überhaupt einen Termin bei Dir bekommen zu haben.”…und so tat ich einfach was er mir sagte und es bereitete mir extremes Vergnügen…so haben mich quasi meine Gäste in die SM-Welt eingeführt. 

 

 

HS: Wie hast Du gearbeitet, als Du noch kein Studio hattest? 

Zunächst war ich von 2011-2013 in einem sehr guten Haus in Wuppertal in dem ich sehr viel lernen konnte – danach gab es einen kurzen Abstecher nach Düsseldorf, doch dort wurde ich nicht richtig warm und habe mich dann auf Haus- und Hotelbesuche konzentriert während ich nach einer geeigneten Lokation für ein eigenes Studio gesucht habe. 

 

HS: Was macht Dir in Deinem Job am meisten Spaß? 

In meinem Job wird es nie langweilig – es gibt nichts Schlimmeres als tagtäglich dieselben monotonen Abläufe und dies 45 Jahre lang…hier treffe ich wirklich interessante Persönlichkeiten und lerne sie meist auch nicht nur oberflächlich kennen, sondern die menschliche Seite mit all ihren Lebenswegen und Erfahrungen von denen auch ich profitiere.  Und dann ist da natürlich noch der Verdienst, welcher nicht zu verkennen ist.

 

HS: Gibt es Situationen wo Du selber geil wirst? 

Ich stehe total auf Französisch bei mir und wenn es jemand richtig drauf hat, bin ich zu allem bereit. 

 

HS: Es gab sicher viele Höhen und Tiefen in den 10 Jahren. Was hat Dir immer wieder Kraft gegeben weiterzumachen? 

Das stimmt, allerdings war aufgeben noch nie eine Option für mich und zudem war es immer meine Existenz und das, was ich am besten konnte, sodass ich immer nach einer Lösung bzw. einer internen Alternative gesucht habe…Sexarbeit ist ja (leider) kein Lehrberuf, sodass man seine Erfahrungen ganz allein ohne Hilfestellung machen muss und im besten Fall daraus lernt und sich dadurch weiterentwickelt. 

 

HS: Hast Du Dich schon mal in einen Freier verliebt? 

Ja, obwohl es ein ungeschriebenes Gesetz ist genau dies niemals zu tun, ist es auch mir passiert…sicher möchtest Du jetzt auch wissen, wie es ausgegangen ist?  Fast sechs Jahre haben wir uns immer wieder privat getroffen und die Abende verbracht wie ein ganz normales Paar – es war eine sehr schöne Zeit, doch leider stand der Job immer zwischen uns, sodass es genau deswegen zerbrach…ich hatte ihm bewusst gemacht, dass ich mit meinem Betrieb verheiratet bin und dass dieser an erster Stelle steht egal was passiert, weil es meine Existenz ist und dies das Einzige im Leben ist, was mir ewig treu sein wird, wenn ich mich diesbezüglich bemühe. 

 

HS: Folgende Szene. Du lernst einen Mann in einer Bar kennen. Es endet im Bett. Einen Tag steht er als Kunde vor Deinem Studio. Was kriegt er: Klistier oder die Peitsche? 

Es kommt darauf an, ob es ein “Happy-End” war…vielleicht freue ich mich, springe ihn direkt an und wir haben wilden, hemmungslosen Sex oder ich unterziehe ihn einer Hypnose, in der ich ihm einrede, dass er ein kleiner erbärmlicher Wurm ist, der nur noch Glück und Zufriedenheit empfinden kann, wenn er wöchentlich als Fußabtreter von mir benutzt wird, indem er ins Studio kommt und mich dafür bezahlt – und weil er so scheiße war, bezahlt er den doppelten Preis 😉 

 

HS: Wie viel Humor schlummert in Deinem Job als Domina? 

Naja, da ich als Herrin quasi fast immer die Zügel in der Hand habe und den Ablauf bestimme wird es bei einigen Wünschen der Gäste fast immer lustig – allein schon wenn ein Mann wie ein Baum in Dessous und High-Heels vor Dir steht und total unbeholfen strippen muss, bekommst Du automatisch einen Lachflash und am besten wird die ganze Szene, wenn Du deine Kolleginnen zu dem Spektakel einlädst. 

 

HS: Wenn Du zurückblickst. Würdest Du heute was anders machen? 

 

Ja auf jeden Fall – hätte ich den Erfahrungsschatz von heute, dann hätte ich nie nach einem so großen Etablissement gestrebt…ich hätte mir einfach eine 3-Zimmer-Wohnung angemietet und ganz allein für mich gearbeitet ohne Personal und Kolleginnen, denn angewiesen zu sein auf andere Menschen ist das nervigste was es überhaupt gibt, da die Arbeitsphilosophie und der Charakter von vielen Menschen einfach miserabel ist…zudem habe ich einen enormer Fixkostenapparat geschaffen, welcher stets bewirtschaftet werden will und letztendlich habe ich nicht wesentlich mehr Geld als zu meiner Anfangszeit. 

 

HS: Die Pandemie hat alle Frauen im Gewerbe im Stich gelassen. War alles was in den letzten 20 Jahren an Rechten im professionellen Gewerbe erreicht wurde für die Katz? 

Als Betreiberin eines Etablissements sehe ich dies ein wenig zwiegespalten – die Gesetze haben nicht nur positive Dinge hervorgebracht…klar ist es wichtig, dass es dadurch vermutlich weniger Zwangsprostitution gibt – allerdings hat es die Betreiber total entrechtet – man darf ja noch nicht mal mehr einen Stundenplan erstellen (was bei Lidl beispielsweise einen Schichtplan entspricht) ohne mit einem Bein im Knast zu stehen, weil es Zuhälterei wäre den Damen vorzuschreiben, wann wer seine Dienstleistung anbieten kann, damit an einem Tag nicht fünf Frauen aufeinander hocken und sich gegenseitig die Gäste wegnehmen und an einem anderen Tag ist keine Dame anwesend und der Laden macht dadurch keinen Umsatz…die Damen haben so viele Rechte bekommen, dass man sich mittlerweile noch nicht mehr traut zu sagen, dass sie bitte den Laden verlassen sollen, weil eine Zusammenarbeit nicht mehr funktioniert, da sie dann direkt aus verletztem Ego zur Kripo laufen und eine absolute Fantasy-Story auftischen, worauf im Anschluss eine Razzia folgen könnte (alles schon erlebt). 

 

HS: Was war das für ein Gefühl im Lockdown, als es keine Arbeit gab und die Mieten gezahlt werden mussten? 

Ich drücke es mal so aus: Verzweiflung! Für einen Unternehmer ist es das Schlimmste nichts mehr unter Kontrolle zu haben, nichts mehr Planen und/oder verändern zu können…wir konnten nur noch beten, hoffen und versuchen nicht zu kapitulieren bzw. unseren Verstand zu verlieren. Als dann aber endlich die Corona-Hilfen flossen konnte ich ein wenig aufatmen…allerdings muss man dazu sagen, dass dies kein Ausgleich für das ersparte Geld war, womit man Defizite aufgefangen hat und wofür man heute wieder bei null anfangen muss, um beispielsweise für seine Rente vorzusorgen und auch nicht für die Zeit, die man verloren hat, in der man innovativ tätig hätte sein können. 

 

HS: Habt Ihr im Studio wenigstens zusammen gehalten? 

Dies kann ich ganz klar mit JA beantworten, da ich schon immer darauf geachtet habe, dass unser Team aus passenden Menschen besteht – alles was Gift für unsere Gemeinschaft war, habe ich stets frühzeitig aussortiert…deswegen arbeiten bei uns nicht 20 schlechte Damen sondern nur 5 sehr gute Ladies. 

 

HS: Hat der erste Sklave nach dem Lockdown für die Politiker büßen müssen? 

Leider nein, denn der Sklave, welcher sich diesbezüglich eine entsprechende Maske mitbringen und aufsetzen wollte, hat den Termin bedauerlicherweise gecancelt – war wahrscheinlich auch besser für ihn. 

 

HS: Wo sind Deine Ängste hinsichtlich Herbst/Winter 2021? 

Angesichts des steigenden Inzidenzwertes haben wir große Sorge, dass der Lockdown 3.0 zeitnah bevorsteht und wir wieder in der Warteschleife hängen – denn wir sind leider immer die Ersten, welche schließen müssen und die Letzten, welche öffnen dürfen, während die Fußballstadien schon ihre Notfallzulassung haben. 

 

HS: Was lässt Dich dennoch positiv in die Zukunft blicken? 

Ich bin noch nicht am Ende meiner Reise angelangt – ich denke, dass ich evtl. in unserer Branche und auch für mich persönlich noch sehr viel bewegen kann, wenn die Zeit dafür gekommen ist, sodass ich wahrscheinlich erst mit einem Verbot unserer Dienstleistung oder mit meinem letzten Atemzug aufgeben werde an die freiwillige, selbstbestimmende Sexarbeit zu glauben und dafür zu kämpfen. 

 

HS: Wie können Dich Deine Gäste kontaktieren? 

Am besten ist es über meine Mail-Adresse eve@sex-session.de, da ich oftmals schon ausgebucht bin und kaum Zeit habe an mein Telefon zu gehen…hierüber kann ich mir dann an meinen freien Tagen ausreichend Zeit nehmen, um auf die Kundenwünsche inklusive Terminierungen einzugehen. 

 

HS: Dann wünsche ich weiterhin viel Glück  

Ich danke Dir und dasselbe für Dich! 

 

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