VERTRAUENSVERLUST

Nachdem ein vielbeachteter Meinungsartikel in der New York Times über fragwürdige Inhalte auf Pornhub viral ging, verlor die größte Plattform für Pornos im Internet ihren Zugang zu den wichtigsten Zahlungsabwicklern der Welt: Mastercard und Visa kündigten dem Konzern die Verträge. Mindgeeks wertvollste Marke konnte plötzlich keine Kreditkarten mehr verarbeiten. Eine Reaktion des weltweit größten Pornokonzerns folgte prompt.

Die weltweit größten Kreditkartenanbieter Mastercard und Visa haben ihre Verträge mit Pornhub, der weltweit größten Plattform für Erwachsenenunterhaltung, gekündigt. Der Schritt kam abrupt, war aber seit Tagen erwartet worden, nachdem ein Meinungsartikel der New York Times von Nicholas Kristof mit dem Titel »The Children of Pornhub« das Unternehmen scharf kritisiert und mit Missbrauch, Vergewaltigung und fragwürdigen Praktiken in Verbindung gebracht hatte.

Die Entscheidung der Kreditkartenherausgeber bedeutete, dass Pornhub-Nutzer nicht mehr für Inhalte bezahlen oder für ihre Lieblingsdarsteller Spenden tätigen konnten. Kristofs Artikel verknüpfte die Inhalte der Plattform erfolgreich mit der Ausbeutung und dem Missbrauch von Sexarbeitern, sowohl freiwillig als auch gezwungenermaßen, und war dem Portal sogar vor, Rachepornos und Kinderpornografie nicht konsequent genug zu löschen. Somit wurde das wertvollste Label der Mindgeek-Gruppe in der Darstellung der einflussreichen New York Times zum Komplizen von abscheulichen Verbrechen.

Kristof behauptete, dass Pornhub Vergewaltigungen von Kindern, Rache-Pornografie, Spycam-Videos von duschenden Frauen, rassistische und frauenfeindliche Inhalte und Aufnahmen von Frauen, die in Plastiktüten erstickt werden, monetarisiere… »Die große Mehrheit der 6,8 Millionen neuen Videos, die jedes Jahr auf der Seite gepostet werden, zeigen wahrscheinlich einvernehmlich agierende Erwachsene, doch viele zeigen Kindesmissbrauch und nicht einvernehmliche sexuelle Gewalt.«

Während es stimmt, dass bisweilen extreme BDSM-Inhalte und auch ausnehmend brutale, misogyn anmutende Inhalte ihre Nische auf der Plattform haben, ignoriert der Artikel anders als behauptet den Unterschied zwischen einvernehmlichen und nicht einvernehmlichen Darstellungen von sexueller Gewalt völlig. Die grundlegende Tatsache, dass keine Internetplattform das Alter der Darsteller in nutzergenerierten Inhalten verifizieren kann, scheint das Hauptargument zu sein, das Kristof gegen die Plattform vorbringt. In seinem Artikel heißt es: »Weil es unmöglich ist, sicher zu sein, ob ein Jugendlicher in einem Video 14 oder 18 ist, hat weder Pornhub noch irgendjemand anderes eine klare Vorstellung davon, welche Inhalte illegal sind.« Das aber gilt im Grunde für jede Online-Plattform, sei es nun pornografische oder mainstreamige Angebote wie Facebook oder Instagram.

Kristof scheint sogar eklatante Unwahrheiten zu unterstellen. Er behauptet, man könne Stichworte wie »Vergewaltigung« oder »Erniedrigter Teenager« eingeben und würde entsprechende Inhalte als Suchergebnis auf Pornhub erhalten. Ein einfaches Experiment aber lehrt, dass dem nicht so ist (ganz abgesehen davon, dass ja auch Rollenspiele und durch die Meinungsfreiheit gedeckte sonstige Szenarien solcherlei Suchworte rechtfertigen könnten.) Dennoch teilt die Plattform jedem Nutzer, der diese Wörter eintippt, mit, dass solche Inhalte nicht auf der Website zu finden sind. Trotzdem haben die Vorwürfe dem ohnehin fragwürdigen Ruf des Unternehmens massiv geschadet.

Der Artikel der New York Times führt weiter aus, dass die von den Nutzern hochgeladenen Inhalte nicht ausreichend geprüft und überwacht werden, wodurch es möglich ist, dass illegale Inhalte stunden-, tage- und manchmal sogar wochenlang verfügbar bleiben, obwohl berechtigte Beschwerden vorliegen.

Auch wenn der Großteil der Kritik zu weit gefasst ist und nicht Pornhub selbst, sondern einige der Produzenten, die Inhalte auf die Plattform hochladen, betrifft, hat das Unternehmen sofort Schritte unternommen, um den von der New York Times erhobenen Vorwürfen zu begegnen.

Pornhub erklärte, dass »ein neu gegründetes ‘Red Team’ sich ausschließlich der Selbstkontrolle der Plattform auf potenziell illegales Material widmen wird. Das Red Team bietet eine zusätzliche Schutzebene zum bestehenden Protokoll, indem es bereits hochgeladene Inhalte proaktiv auf mögliche Verstöße überprüft und Pannen im Moderationsprozess identifiziert, die einen Inhalt zulassen könnten, der gegen die Nutzungsbedingungen verstößt.« Zusätzlich will Pornhub auch »regelmäßig Suchbegriffe innerhalb der Plattform auf eine Zunahme von Formulierungen überwachen, die versuchen, die bestehenden Schutzmaßnahmen zu umgehen.«

Die öffentliche Empörung erwies sich jedoch als zu brisant und giftig für die beiden Kreditkartenherausgeber Mastercard und Visa. Beide Unternehmen erklärten, dass sie Pornhub davon abhielten, Geld von seinen Nutzern über ihre Kreditkarten zu erhalten.

Mastercard veröffentlichte eine Erklärung, in der es heißt: »Unsere Nachforschungen in den letzten Tagen haben Verstöße gegen unsere Standards bestätigt, die ungesetzliche Inhalte auf der Website verbieten. Wir haben die Finanzinstitute, die die Seite mit unserem Netzwerk verbinden, angewiesen, die Akzeptanz zu unterbinden.«

Auch Visa äußerte sich öffentlich zum Ende der Geschäftsbeziehung mit Mindgeek: »Wir weisen die Finanzinstitute, die MindGeek betreuen, an, die Verarbeitung von Zahlungen über das Visa-Netzwerk einzustellen.«

Das Wirtschaftsmagazin Bloomberg berichtete außerdem, dass Mastercard auch das Geschäft mit einem der größten Konkurrenten von Mindgeek, der Adult-Plattform XVideos, die im Artikel der New York Times ebenfalls angegriffen wurde, untersuchen wird. Eine ganz neue Runde von Problemen für die Pornobranche zeichnet sich ab. Während viele Zahlungsabwickler langsam offener zu werden schienen, Geschäfte mit Unternehmen aus der Erotikbranche zu machen, könnte dieser Trend zu einem Stillstand kommen, wenn Visa und Mastercard plötzlich alle Geschäfte mit einem der größten Akteure der Branche beenden.

Pornhub und Mindgeek schlagen bei der Community Alarm. In einem Statement teilten die Unternehmen mit: »Diese Aktionen sind außerordentlich schockierend, da sie zwei Tage nach der Einführung der weitreichendsten Sicherheitsvorkehrungen in der Geschichte der nutzergenerierten Plattform kommen. Ungeprüfte Nutzer sind nun vom Hochladen von Inhalten ausgeschlossen – eine Richtlinie, die keine andere Plattform eingeführt hat, einschließlich Facebook, das in den letzten drei Jahren 84 Millionen Fälle von Material über sexuellen Kindesmissbrauch gemeldet hat. Im Vergleich dazu meldete die Internet Watch Foundation (IWF) 118 Vorfälle auf Pornhub in den letzten drei Jahren. Diese Nachricht ist verheerend für die Hunderttausenden von Models, die sich auf unsere Plattform verlassen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.«

IWF-Sprecherin Emma Hardy schließt sich dem Statement von Pornhub an: »Websites, die Sie und ich als soziale Netzwerke oder andere Kommunikationsmittel nutzen, stellen ein größeres Problem in Bezug auf Material mit Kindesmissbrauch dar, als es Pornhub tut.«

Pornhub fügte hinzu: »Illegale Inhalte zu entfernen und das Internet von Material über sexuellen Kindesmissbrauch zu befreien, ist eines der wichtigsten Themen, mit denen Online-Plattformen heute konfrontiert sind, und es erfordert das unermüdliche Engagement und gemeinsame Handeln aller Beteiligten.«

»Aufgrund der Natur unserer Branche weichen die vorgefassten Meinungen über die Werte und Prozesse von Pornhub oft von der tatsächlichen Realität ab, aber es ist kontraproduktiv, die Fakten bei einem so ernsten Thema wie CSAM zu ignorieren. Jede Behauptung, dass wir CSAM erlauben, ist unverantwortlich und schlichtweg unwahr. Wir haben null Toleranz für CSAM. Pornhub setzt sich eindeutig für die Bekämpfung von CSAM ein und hat eine branchenführende Vertrauens- und Sicherheitsrichtlinie eingeführt, um illegales Material zu identifizieren und aus unserer Community zu entfernen.«

Leider ist es sehr wahrscheinlich, dass viele Darsteller und Studios von dem plötzlichen Verbot der Geschäfte und Zahlungsoptionen von Mindgeek betroffen sind.

Wie nun bekannt wurde, hat Mindgeek alle Inhalte von nicht-verifizierten Accounts auf der Plattform entfernt. Dies betraf mindestens die Hälfte aller Videos auf Pornhub. Inwiefern dies die Zahlungsabwickler befriedet und zu einer Rückkehr zum bisherigen Verfahren bewegt, ist unklar. Klar ist: Die Pornobranche steht online vor immensen Herausforderungen. Neben den Zensurbestrebungen in zahlreichen Ländern kommen nun, befeuert durch laxen Umgang mit illegalen Inhalten massive Boykottforderungen gegen die Payment-Partner der Pornobranche auf die einzelnen Unternehmen und Anbieter zu.

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