OUT IST OUT
Das einflussreiche LGBT-Magazin OUT lobt den Einfluss von Monetarisierungsdiensten, die es Pornodarstellern ermöglichen, Inhalte direkt an ihr Fans zu verkaufen. Aus Sicht des monatlich erscheinenden Magazins haben Dienste wie OnlyFans und JustForFans einen demokratisierenden Effekt für schwule Pornografie. In einem großen Porträt stellt das Magazin die beiden Angebote und einige der mit ihnen verbundenen Darsteller vor.
OUT ist das größte LGBT-Magazin der USA. Mit einer Auflage von monatlich gut 200.000 Exemplaren hat sich die 1992 gegründete Hochglanzpublikation zu einer wichtigen Stimme im zunehmenden Angebot von LGBT-Medien entwickelt. Manchen gilt das Magazin als schwul-lesbisches Esquire oder GQ.
Nun hat OUT-Autorin Mikelle Street ein umfangreiches Porträt über die boomenden Direktmonetarisierer OnlyFans und JustForFans geschrieben und den Einfluss der Seiten auf die Entwicklung der schwulen Pornografie aufgezeigt. Dabei kommen auch einige Darsteller zu Wort, die mit ihren Fotos und Videos auf der Seite aktiv sind und ihre Inhalte direkt an ihre Fans verkaufen können:
Noch im Sommer 2017 arbeitete Macho in der Niederlassung von PECO, einem Strom- und Erdgasversorger in Philadelphia (Pennsylvania) als Kundendienstmitarbeiter. Dieser Job war Machos Chance auf den amerikanischen Traum, aber jeden Tag aufzuwachen, um auf einen Computerbildschirm zu starren und Telefonate im Außendienst zu führen, war nichts für ihn. Seitdem hat der 23-Jährige durch seine Online-Popularität – die er auf Instagram ausgebaut, auf Twitter erweitert (als @jesus_really) und schließlich über die Website OnlyFans monetarisiert hat – sein Leben in die Selbständigkeit verlagert, wo er zumeist pornografische Inhalte an zahlende Abonnenten verkauft.
»Im Grunde genommen habe ich mich mit Instagram neu erfunden«, sagt Macho bei einer Pizza in seiner Heimatstadt Philadelphia. »Zuerst waren es nur Videos, in denen ich Mist erzählte und Quatsch machte. Aber dann fing ich an, meinen Körper zu zeigen, so wie die Mädels, die man im Fernsehen sieht, oder die Frauen in Musikvideos mit falschen Hintern und falschen Brüsten, die selbstbewusst sind und sich nicht darum kümmern, was jemand sagt. Es machte mich glücklich, die schwule Version davon zu sein.«
Machos erste Veröffentlichungen brachten ihm eine Fangemeinde ein. (Sein erster Instagram-Account hatte 14.000 Follower, bevor er gesperrt wurde, und konnte erneut 40.000 Follower gewinnen, als er vor einer endgültigen Löschung nochmal von vorne begann.) Doch als er anfing, Fotos von seinem Hintern zu posten, begannen seine Follower, ihn nach Nacktbildern zu fragen und Videos tauschen zu wollen. Diese Entwicklung wurde durch den Beitritt zum weniger stark gefilterten Twitter noch verstärkt, wo er die Größe seines Publikums wirklich erfassen konnte. »Ich habe nie damit angefangen, meinen Penis oder meine Beule oder so etwas zu zeigen«, sagt er, »aber als ich anfing, mich mit meinem Körper und meinem Hintern wohler zu fühlen, und nichts Schlimmes passierte, als ich sie zeigte, hörte ich auf, mir darüber Gedanken zu machen.«
Im September 2017 veröffentlichte der angehende Unternehmer ein Foto von sich selbst beim »inching«, wie er es nennt. Auf dem Bild zeigt Macho die ersten Zentimeter seines Penis über dem Bund seiner dunkelgrauen Jogginghose. Seitdem hat der Tweet weit über 3,5 Millionen Aufrufe und 17.000 Likes gesammelt. »Da wurde mir klar, dass ich das wirklich machen könnte, weil die Leute offensichtlich zusehen«, sagt er.
Inzwischen veröffentlicht Macho seine Fotos und Videos – einzeln wie auch mit anderen Grindr-Nutzern – auf seinem OnlyFans Account, wo er über 100 Abonnenten je $25 monatlich für den Zugang zu seinen Inhalten in Rechnung stellt. Die Follower-Zahl schwankt dabei stark (zu Beginn hat er $7,99 Monat genommen und dabei 500 Follower gehabt, bei $25 kommt es aber vor, dass er bis zu 300 Abonnenten hat). Dabei muss er sich auch mit Kunden herumschlagen, die seine Inhalte stehlen und weiterverkaufen. Doch seit Februar erhält er über OnlyFans genug Einnahmen, um den Account Vollzeit zu betreiben. Dazu gesellen sich weitere Möglichkeiten und Angebote wie zum Beispiel ein Dreh in Orlando für Raging Stallion und der Verkauf von Merchandise-Artikeln.
Machos Geschichte ist nur eine von vielen, die sich aus der Gründung neuer Seiten, die im Grunde das kulturelle Phänomen der Influencer ins Erotikgeschäft übertragen. Ehemalige Studio-Darsteller, Amateurmodels und Social Media Influencer nutzen Seiten wie OnlyFans, und viele verdienen mit ihren Inhalten monatlich mehrere Tausend Dollar. Diese Seiten stellen nicht nur einen Wandel im Nutzerverhalten dar, sondern bringen auch einen neuen Darstellertypus hervor.
»Es gibt definitiv einen Trend, dass in den letzten Jahren immer mehr Konsumenten Amateurfilme mögen«, so Dominic Ford, Eigentümer des nach ihm benannten Pornostudios, das auf schwule Pornofilme fokussiert ist (dessen Output er selbst als »recht zahm« beschreibt) und zugleich des OnlyFans-Konkurrenten JustForFans. Er fügt hinzu: »Ich habe den fortwährenden Rückgang der Studiopornografie beobachten können, da ich seit einem Jahrzehnt dabei bin. Da stagniert es offenbar, während Amateurpornografie echt abhebt.«
OnlyFans wurde 2016 als Seite für Social Media Influencer gegründet, um diesen die Möglichkeit zu geben, Inhalte zu monetarisieren. Dabei kopierte es Prominente, die ähnliche Projekte gestartet hatten (so zum Beispiel der Jenner-Kardashian-Clan, die ihre eigenen Apps und Seiten auf den Markt gebracht haben). Die neue Plattform OnlyFans aber machte es für jeden mit einem Handy möglich, Einnahmen zu generieren. Es wurde zu einem idealen Werkzeug wie Fitnessexperten, unabhängige Musiker mit aktiven Fans jedweder Art. Manche nennen es als »Twitter, für das man bezahlt«. Und wie bei Twitter hat ein Teil der Nutzer den Dienst für ein wachsendes Angebot an schwulen Amateur-Pornos und anderen Erotica zu nutzen.
»Es wird im Wesentlichen auf zwei Arten verwendet«, erzählt Ty Mitchell, ein Studiodarsteller, der für Unternehmen wie Lucas Entertainment und Treasure Island gedreht hat, jetzt aber bei OnlyFans wie auch bei JustForFans Accounts betreibt. »Es sind entweder Pornodarsteller, die damit ihre Karrieren aufrechterhalten und zusätzliche Einnahmen generieren oder Schnappschuss-Typen, die keine Erfahrung mit Pornos haben, aber eine große Nachfrage nach ihren Nacktbildern sehen und einen Weg gefunden haben, diese Nachfrage so zu bedienen, dass sie ein paar Extraeinnahmen haben.«
Macho gehört zu der zweiten Kategorie. »Ich bekam lüsterne Direktnachrichten«, sagt er. »Die kriege ich immer noch, obwohl ich OnlyFans mache – Leute, die per DMs nach persönlichen Dingen fragen. Das ist nervig, aber ich denke mir inzwischen: Ach, wenn Du das sehen willst, kannst Du auch zahlen.«
Andere wie Jamari, ein Tänzer, der mit Sam Smith und Keke Palmer zusammengearbeitet hat, verfügen ebenfalls über eigene Accounts, nutzen die Plattform aber nicht für Pornos. Jamaris Account zeigt erotische Fotos und Material, das seine Arbeit als Gogo-Tänzer zeigt.
Doch auch Pornodarsteller, Amateure wie Studios, verdienen kräftig mit, sie nutzen die Webseite in etwa so, wie sie es zuvor mit Escortarbeit gemacht haben: um unregelmäßige, schlecht bezahlte Jobs zu ergänzen. Nachdem Ford sich im Oktober 2017 seinen eigenen OnlyFans-Account angelegt hatte, schuf er am Valentinstag JustForFans. Die neue Seite zielt auf die wachsende Sorge von Darstellern über die Serverprobleme und langsame Ladezeiten bei OnlyFans. Offenbar gibt es auch keinen Ansprechpartner für verzögerte Zahlungen und eine Grauzone, ob pornografische Inhalte nun erlaubt sind oder nicht. Darüber hinaus bietet JustForFans zusätzliche Features, die man zuvor nur durch die Kombination mehrerer Dienste bekommen konnte.
»OnlyFans war Twitter, für das man bezahlt. ManyVids und Clips4Sale sind Pay-per-View-Services, und eine Webseite namens SextPanther erlaubte es Darstellern, für Geld Textnachrichten zu senden«, so Ford. »Und dann ist da eBay, wo die Leute ihre physischen Produkte und Autogramme verkaufen können. Statt dass die Models und Darsteller nun Accounts auf all diesen Seiten pflegen müssen, wollte ich ein Dach schaffen, unter dem all diese Dienste versammelt sein können.« Und dieses Dach, die Ausgangsbasis ist JustForFans, das in nur sechs Monaten mehr als 130.000 Abonnenten und mehr als 2.000 Models auf sich ziehen konnte. Einige der Topdarsteller haben bereits mehr als 70.000 Dollar verdient.
»Es ist unglaublich, wie viel mehr ich verdiene im Vergleich zur Arbeit für Studios«, so Rocco Steele, ein mehrfach preisgekrönter Pornodarsteller, der seit 2014 die Webseiten RoccoSteeleStudio.com und My10Inches.com betreibt. »Es ist diese Art Sache, bei der man das Gefühl hat, dass es irgendwann einstürzen muss, weil es einfach zu gut scheint, um wahr zu sein.«
Laut Ford sind von den 2.000 Darstellern auf JustForFans mehr als 1.500 Cis-Männer, die Inhalte für andere Männer erstellen. Im Durchschnitt haben sie 100 bis 300 Follower und nehmen etwa 10 Dollar pro Monat, wobei Ford 30% der Einnahmen einbehält. Ein durchschnittlicher Darsteller verdient also zwischen 700 und 2100 Dollar pro Monat für das Hochladen von Inhalten, deren Länge etwas weniger als eine Minute und bis zu mehr als einer Stunde betragen kann. Der Löwenanteil der Arbeit kann über das Smartphone erledigt werden, was bedeutet, dass das Geschäft international ist.
Der beliebte Gogo-Boy Seth Fornea hat im Januar sein Pornodebüt auf OnlyFans gegeben und sagt, dass die Autonomie, die er dadurch gewonnen hat, dazu geführt hat, dass er von New York nach Brasilien auswandern konnte. Diggory, ein Darsteller aus London, der vor seiner Anmeldung bei OnlyFans und JustForFans im Camgeschäft tätig war, sagt, dass es in seiner Stadt eine Community der Darsteller gebe, in der die Performer netzwerken, um Filmpartner zu finden. Und während der durchschnittliche Profit mehr als nur Taschengeld ist (und es nur wenig bis gar keinen operativen Overhead gibt), kann ein viraler Hit zu weitaus größeren Einnahmen führen.
»Es ist ein gut funktionierender Weg, um die eigene Nische zu finden und eigene Stärken auszuprobieren«, sagt Griffin Barrows, der seit 2014 immer mal als Studiodarsteller tätig war. Er hat bei ChaosMen begonnen und ist dann zu Men.com und Next Door Studios weitergezogen. Inzwischen gehört er zu den Top3-Performern auf JustForFans, was er teilweise einem Upload aus dem November 2017 verdankt, der viral gegangen ist. Der Clip, der zunächst exklusiv auf OnlyFans und in Ausschnitten auf Twitter und Tumblr zu sehen war, zeigt ihn, während er einem Partner, dessen Gesicht nicht sichtbar ist, 40 Minuten lang einen Handjob gibt. Barrows beschreibt seinen Partner als »jungen, nicht-geouteten College-Studenten« und erzählt, dass der Clip berühmt geworden sei wegen des heftigen Orgasmus des Studenten. »Es gibt diese hohe Lautstärke. Meine Überraschung ist authentisch«, meint Barrows. »Echte Überraschungen gibt es bei Studiopornos nicht, und als ich den Clip hochgeladen hatte, wurde es verrückt.« Der Film hat mehr als 500.000 Reaktionen auf Tumblr auf sich gezogen, bevor er gelöscht wurde. Auf Twitter haben die Ausschnitte mehr als 3,9 Millionen Views.
Das Video ist ein Paradebeispiel für die erfolgreichsten Accounts auf diesen Seiten, deren Inhalte für die Zuschauer echt, authentisch und bis zu einem gewissen Grad persönlich wirken, da sie den Darstellern selbst folgen. Das Genre hat selbstgemachte Amateurpornos auf eine Weise etabliert, die direkt mit den Wirkweisen des Persönlichkeitskults überlappt. Im Effekt demokratisiert dies die Pornobranche, was bedeutet, dass alle Genres möglich werden. RopeTrainKeep ist ein Account, der auf Bondage fokussiert ist, auch er ist einer der Top-Performer auf JustForFans. Laut Ford entwickeln sich auch Fetische, die man für Nischen hielt, sehr gut. Darüber hinaus verschafft das neue Geschäftsmodell den Darstellern kontinuierliche Einnahmen in einer Branche, die an ausbeuterischen Praktiken und sinkenden Gagen leidet.
Doch mit der neuen Freiheit – bei der jeder Darsteller auswählen kann, wann, wie und mit wem er Inhalte produziert – entsteht auch eine ständige Nachfrage nach Inhalten. »Als ich anfing, habe ich mir sofort Sorgen gemacht, wie ich weiter gute Videos produzieren könnte, damit mein Profil wettbewerbsfähig in Konkurrenz mit anderen Profilen bleibt«, so Mitchell, der etwa vier Mal pro Monat Inhalte hochlädt und sich auf Paarszenen spezialisiert hat. »Es ist besonders schwierig«, sagt er. »Auf der einen Seite stehe ich in ständigem Wettbewerb mit Pornodarstellern, die bereits in der Branche etabliert sind und viel besseren Zugang zu anderen Darstellern haben. Und auf der anderen Seite konkurriere ich mit Kerlen, die einfach Nacktbilder posten, und weil ihr nackter Körper sonst nicht so weit verbreitet online erhältlich ist, reicht das den Fans.«
Viele der interviewten Darsteller versuchen zwei bis vier Mal pro Woche Inhalte hochzuladen, die meisten bieten auch Szenen mit Penetration. Einige wie Diggory nutzen örtliche Netzwerke von Fanseiten-Darstellern, während andere wie Steele durch häufige Reisen auf Studiodarsteller an anderen Orten treffen. Nahezu alle drehen auch mit Darstellern, die nicht mit Studios zusammenarbeiten. Und während zu viel Nachbearbeitung Fans durchaus abturnen kann (viele der erfolgreichsten Angebote editieren ihr Material kaum, um das selbstgemachte hervorzustreichen), müssen dennoch alle ständig neue Inhalte schaffen, diese schneiden und sie fortlaufend bewerben. Deshalb glauben einige, dass das neue Genre Studiopornos nicht vollständig ersetzen wird.
»Selbstpromotion ist ein wichtiger Bestandteil«, erzählt Barrows. »Es braucht jemanden, der ein bisschen mehr Wind macht. Viele aber wollen all diese Arbeit nicht machen. Die wollen einfach nur auftauchen, drehen und bezahlt werden.« Doch für jene, die die Zeit aufbringen wollen, kann der Profit nahezu so grenzenlos sein, wie die Anzahl an Menschen, die auf »abonnieren« drücken.