EIN MACHER

Unsere Kollegen vom SLATE Magazin haben ein Interview mit Andreas Kirchen geführt, dem aktuell größten Maker der Erotik Vertriebsbranche: VPS

Der physische Markt der Erotikindustrie verändert sich seit Längerem. Immer mehr Streamingportale füllen den Markt und kostenlose Portale überschwemmen den Markt, aber auch das große Aussterben des klassischen Sexshops hat begonnen. Wir wollen ein wenig beleuchten wie sich der Markt verändert hat und wie er in den kommenden 10 Jahren aufgestellt sein wird. Wer könnte darüber fundierter Auskunft geben, als ein aktiver Wegbegleiter.

 

Andreas Kirchen ist CEO der Firma VPS. Der ein oder andere Horrorfan wird jetzt jubeln, denn alte VPS Filme sind rar und sehr gesucht. Doch die Zeit der Horror- und Action-Filme ist schon lange vorbei im Hause VPS. In den 90er Jahren war die Firma am Rande des wirtschaftlich vertretbaren und nur das Erotikfilmgeschäft konnte die Firma retten. Den Umbau des Unternehmens gestaltete Andreas Kirchen aktiv mit und hat nun den deutschen Marktführer im Bereich Erotik Distribution.

 

SLATE: Herr Kirchen bitte stellen Sie unseren Lesern Ihr Unternehmen VPS kurz vor.

Ich bin Baujahr 1959 und habe 1982 in der Filmbranche als Außendienstmitarbeiter bei Constantin und Arcade angefangen. War dann Mitte der 80er Jahre Videothekar bis ich 1987 bei VPS als Bezirksverkaufsleiter anfing. Im Laufe der folgenden Jahre übernahm ich den Aufbau der „VPS Erotik Division“ als Verkaufsleiter. Anfang der 2000er übertrug mir der damalige Inhaber und Geschäftsführer Rüdiger von Spies die gesamte Vertriebsleitung nachdem der Spielfilmsektor aufgegeben wurde. 2013 kaufte ich dann die gesamte VPS und bin mit Sack und Pack von München in meine Heimat die Pfalz umgezogen. Im Oktober 2018 haben wir dann eine eigene Halle mit ca. 4000qm in Herschweiler-Pettersheim bezogen.

 

SLATE: VPS blickt auf eine lange Tradition im Filmgeschäft zurück. In den 90er Jahren konnte sich das Unternehmen nur durch das Erotikfilmgeschäft halten. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Nach den erfolgreichen 70er und 80er Jahren gingen die Umsätze bei den Independent Firmen aufgrund der Präsenz der Major Studios drastisch zurück. Durch einen glücklichen Zufall bekamen wir Anfang der 90er die Generalvertretung von „PRIVATE“, dem damaligen Global Player in Sachen Hardcore im deutschsprachigen Raum und konnten so die Erotik Division aufbauen.

 

SLATE: Sehen Sie die damaligen Veränderungen als Zeichen der Zeit?

Jede Zeit bringt ihre Veränderungen, man muss sie nur erkennen und entsprechend Handeln.

 

SLATE: Hätte die Branche Ende der 90er die Digitalisierung kommen sehen müssen?

Im Prinzip schon. Viele, auch die VPS, hatten aber in den ersten Jahren noch aufgrund des neuen Mediums DVD Umsätze, die zufriedenstellend waren. Erst im Laufe der folgenden Jahre zeigte sich, dass man den Anschluss ans Internet verpasst hatte.

 

SLATE: Ein extremer Finanzverlust dürften vor allem Streams und illegale Server im Ausland sein. Was macht die Branche und was machen Sie gegen diese Millionen Verluste?

Wie die meisten in der Branche, sind auch wir im BEH (Bundesverband des Erotikhandels) organisiert. Dieser Verband versucht seit Jahren gegen die illegalen Portale, die ohne Jugendschutz auch gestohlene Hardcore Filme frei zugänglich anbieten, vorzugehen. Leider lässt uns der Staat in dieser Hinsicht, obwohl er diese Gesetze erlassen hat, voll im Stich. Sämtliche Anzeigen gegen Portale oder Personen die frei zugängliche Pornographie anbieten, wurden alle von den Staatsanwaltschaften abgelehnt, obwohl die Gesetzeslage eindeutig auf unserer Seite ist.

 

SLATE: Sie versuchen auch durch Abmahnung den illegalen Tauschgeschäften Herr zu werden. Kann das ausreichend funktionieren oder ist das mehr ein Tropfen auf den heißen Stein?

Abmahnungen, so wie wir sie betreiben, sind leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir erreichen hier nur illegale Downloads in Deutschland. Ausländische Konsumenten können leider von uns nicht belangt werden.

 

SLATE: Erwartet man von der Politik ein Regelwerk, welches auch den Herstellern von Erotikfilmen weitreichende Möglichkeiten gibt?

Aufgrund des letzte Woche vom Europäischen Parlament verabschiedeten neuen Urhebergesetzes  versprechen wir uns, dass, am liebsten kurzfristig, die illegalen Pornoportale aus dem Netz verschwinden. Es liegt am Gesetzgeber dieses neue Gesetz schnellstmöglich umzusetzen.

 

SLATE: Welche DVDs erfreuen sich noch großer Beliebtheit, wenn man das so sagen kann?

Im Prinzip all unsere echten Neuheiten, da die Endverbraucher es mittlerweile Leid sind immer wieder dieselben Szenen in angeblichen Neuheiten zu sehen.

 

SLATE: Hat zum Beispiel eine Firma wie Purzel Video mit ihrem Konzept noch bessere Zukunftsaussichten?

Purzel bedient mit ihrem Nischenprodukt nach wie vor ein spezielles Publikum. Es wird immer eine Klientel für solche Produkte geben

 

SLATE: Auch hoch qualitative Bizarrefilme schaffen noch ein höheres Preisgefüge am Markt. Liegt dies an der Szene, die vielleicht noch eher bereit ist ein physisches Produkt in den Händen zu halten?

Da dürfte wohl der Umstand eine Rolle spielen, dass diese Klientel wohl die DVD besitzen möchte. Auf dem klassischen Verleihmarkt hat sich der SM Bereich nie durchsetzen können.

 

SLATE: Zum Beispiel sind Labels wie BDSM1 nicht unbedingt Online in Mengen zu finden. Rechtfertigt dies das physische Produkt oder liege ich hier falsch?

Möglicherweise ja, wobei wenn man lange genug im Internet stöbert findet man eigentlich alles was es auf dem Hardcore Markt gibt.

 

SLATE: Früher war die Kundschaft rein männlich. Hat sich das auch im Filmsegment verändert?

Ich glaube schon. Es gab wohl immer auch schon Frauen die sich gerne einmal einen Porno angeschaut hätten, aber erst in den letzten Jahren kamen einige Produzentinnen und Produzenten z.B. „Erika Lust“, „Petra Joy“, „Verso Cinema“ und „Joy Bear“ um nur einige zu nennen, auf den Markt, die spezielle, sogenannte „Frauenpornos“ produzieren. Mittlerweile verkaufen sich solche Produkte teilweise besser als normale Hetero-Filme.

 

SLATE: Verlieren wir Männer jetzt unsere letzte Bastille?

Das glaube ich kaum, Hardcore Filme werden in der Gesamtzahl der Veröffentlichungen immer noch zu über 90 % für Männer produziert.

 

SLATE: Immer stärker und größer werden die Internetportale wie VISIT X, PORN ME, MY DIRTY HOBBY. Wandert hier das Geld der männlichen Kundschaft hin, die früher physische Filme konsumiert haben?

Leider ja, zumindest für den physischen Handel. Aufgrund der neuen Gesetzeslage könnte sich dieser Umstand aber bald ändern.

 

SLATE: Würden Sie diese Veränderung als zukunftsweisend sehen oder eher als eine vorübergehende Phase?

Natürlich ist das Internet aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Gegen eine faire Konkurrenz hat auch niemand etwas einzuwenden, aber mit Gesetzeswidrigen Plattformen im Internet kann der stationäre Handel nun mal nicht konkurrieren.

 

SLATE: Eigentlich sitzen ja hier die Pornodarsteller von heute. Dadurch verschieben sich doch die Wirtschaftsabläufe in großem Rahmen auch ins Ausland.

Das die ausländischen Angebote den deutschsprachigen Raum überschwemmt haben ist ja kein Geheimnis, aber trotz allem hat der deutsche Porno nach wie vor einen hohen Stellenwert.

 

SLATE: Im eigenen Land bleibt der Trend der Jung-Unternehmer, die  kommen mit neuen Ideen in das Sex-Toys Geschäft und wollen eine Branche umkrämpeln, die sie (allein vom Alter her) eigentlich gar nicht kennen. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Ich habe in meinem Berufsleben schon viele Jungunternehmer im Pornobusiness kommen und gehen sehen. Pornographie kann man nicht neu erfinden, vielleicht hier und da einige neue Ideen mit hinein bringen, aber im Grunde wird da niemand einen neuen „Stein der Weisen“ erfinden können. Im Sex-Toy Geschäft verhält sich das ähnlich, hier und da entstehen einige Toys die dann kurzfristig für Furore sorgen, aber im Großen und Ganzen bleit ein Dildo ein Dildo und ein Vibrator ein Vibrator, lediglich Form und Farbe ändern sich.

 

SLATE: Ist diese Entwicklung nicht eher vorteilhaft, weil dadurch noch mehr Menschen an das Thema Sex herangeführt werden, so auch Frauen?

Prinzipiell ja, jetzt müssten wir diese nur noch in die Ladengeschäfte bekommen.

 

SLATE: Gibt es eigentlich diese Frauen, die Pornofilme konsumieren? Oder konzentriert sich das Geschäft mehr auf Sex Toys und Wäsche?

Mittlerweile trauen sich auch sehr viele Frauen im Shop nach einem Porno zu fragen. Das beweist auch der Umsatz den wir mit frauenfreundlichen Pornos erzielen. Gleichermaßen verhält es sich mit Sex-Toys und Dessous, hier trauen sich Frauen auch immer öfter ihre Bedürfnisse zu äußern.

 

SLATE: Nun hat leider auch das Sterben der Sex Shops begonnen. Wie reagiert ein Unternehmen wie das Ihre darauf. Sie können ja nicht plötzlich Ihre Filme bei Karstadt anbieten.

Das kann man natürlich nicht, aber durch Expansion über unsere Grenzen hinweg konnten wir einiges der Umsatzverluste wieder auffangen.

 

SLATE: Könnte die Weiterentwicklung von Virtual Reality für DVD Produkte positiv wirken?

Könnte oder sollte eigentlich schon der Fall sein. Leider wurden die ersten Sticks mit VR-Filmen, die wir als erster Anbieter auf den Markt brachten, nicht angenommen. Möglicherweise waren wir der Zeit da noch etwas zu weit voraus.

 

SLATE: Der eigentliche Umsatz mit Filmen und deren Vorführung im Hauskino der Shops machte einst 70%, stirbt hier eine ganze alt eingesessene Branche aus?

Das glaube ich nicht. Es hat natürlich gravierende Veränderungen in den Sex Kinos gegeben, aber wer die Zeichen der Zeit erkannt hat und sein Kino in eine Erlebnis-Oase umgewandelt hat, kann nicht über Umsatzverluste klagen. Das klassische Kino in dem man sich nur einen Porno angeschaut hat, ist leider Passé.

 

SLATE: Werden am Ende alle Shops verschwinden?

Nein, auf keinen Fall. Es wird immer Menschen geben, die Filme, Sex-Toys oder andere erotische Hilfsmittel direkt im Fachhandel beziehen möchten. Einen anonymeren Platz gibt es schließlich nicht.

 

SLATE: Da sich in Amerika immer noch große Produktionsstudios halten, stellt sich die Frage: was ist im eigentlich prüden Amerika anders?

Das hat mehrere Gründe. Zum einen werden in den Staaten Urheberrechtsverletzungen wesentlich härter bestraft als hierzulande. Zum anderen ist der Englisch sprechende Markt um ein Vielfaches grösser als der Deutschsprachige. Somit ist der Absatzmarkt wesentlich grösser als der Hiesige. Bei gleichen Produktionskosten lässt sich so viel leichter die Investition erwirtschaften.

 

SLATE: Aber auch in Ihrem Programm gibt es noch extrem hochwertige Filme wie die des Labels MARC DORCEL. Sind hochwertige Filme eine andere Dimension im Erotikfilmgeschäft?

Das kann ich so nur bestätigen. Marc Dorcel ist eines der wenigen Studios die seit Jahrzehnten die gleiche Qualität bietet. Das wird natürlich vom Konsumenten auch nach wie vor geschätzt und honoriert.

 

SLATE: Im Programm der VPS befinden sich auch noch Printmagazine. Gibt es hierfür überhaupt noch Abnehmer oder sind das eher Nostalgiker?

Sowohl als auch. Natürlich kann man mit Printmedien alleine nicht existieren, aber es ist eine Ergänzung zu unserem übrigen Portfolio.

 

SLATE: Handelt es sich bei den Color Climax Magazinen um Neuauflagen?

Nein, die Produktion eines neuen Magazins würde jeden Kostenrahmen sprengen. Wir drucken die alten Magazine lediglich nach.

 

SLATE: Gerade bei diesem Label gibt es einen Sammlerkreis und Onlineportale die alte Magazine für bis zu 250€ handeln. Entsteht hier ein kleiner Sammlerkreis, weil viele alte Pornosammlungen meist bei der Entrümpelung im Müll verschwinden?

Davon gehe ich nicht aus, das Produkt wird wohl eher als spontanes Kaufprodukt gesehen und wohl kaum als Sammlerobjekt.

 

SLATE: Wenn man jetzt noch die Veränderungen im Printmarkt dazu nimmt und die jüngsten Feldzüge gegen Prostitution (Verbot in Frankreich etc.) fühlt man sich doch in die Steinzeit versetzt, oder?

Als nächstes werden wohl einige Länder auch wieder die Hexenverbrennung in ihre Gesetzte aufnehmen. Spaß bei Seite, aber man sollte erwachsenen Menschen doch immer ihren persönlichen freien Willen lassen. Ob Prostitution oder Pornographie, solange die Protagonisten dieses aus freien Stücken ohne Zwang und Gewalt machen, sehe ich darin nichts Verwerfliches.

 

SLATE: Kann man überhaupt noch von Handelsstrukturen in Deutschland sprechen?

Selbstverständlich, es gibt zwar weniger Marktteilnehmer, aber immer noch Einkaufsgemeinschaften sowie Handel zwischen den einzelnen Vertrieben und Händlern.

 

SLATE: Was könnte Ihrer Meinung nach die Nachfrage nach physischen Produkten vergrößern und was den Umsatz?

Wenn man das Internet abschalten würde!

 

SLATE: Ich habe gesehen, dass auch Anime Pornos bei Ihnen angeboten wird. Was erwarten Sie von dieser Sparte?

Das ist nach wie vor ein Nischenprodukt das seine Fans hat.

 

 

SLATE: Sind die Trimax Manga Filme alle FSK 18 oder öffnen sie auch einen neuen Verkaufskanal?

Bei den Manga Produkten die wir vertreiben handelt es sich ausschließlich um pornographische Werke.

 

SLATE: Gibt es weitere neue Themen oder Produkte, auf die man sich freuen kann?

Wer uns kennt, weiß dass wir permanent neue Produkte bringen. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.

 

SLATE: Wie sehen Sie die weitere Entwicklung im Filmsegment?

Die Menschheit möchte unterhalten werden, also wird es auch immer Unterhaltung in Form von Filmen geben. Das Medium des Konsums wird sich dabei wohl noch einige Male in der Zukunft ändern.

 

SLATE: Wo sehen Sie die Erotikbranche allgemein in den nächsten 5 Jahren?

Insgesamt wird die Erotikbranche weiter existieren und auch weiterhin expandieren. Wir versuchen da auch noch etwas dazu beizutragen.

 

SLATE: Was können wir im zweiten Halbjahr von VPS erwarten?

Wenn ich das jetzt schon wüsste. Lassen wir uns überraschen.

 

SLATE: Möchten Sie noch etwas loswerden?

Ich versuche mich in meinem Berufsleben immer an die Philosophie der „Grand Dame“ der Branche, Beate Uhse, die ich noch zu Lebzeiten erleben durfte, zu halten. Sie sagte bei einem ihrer letzten öffentlichen Auftritte anlässlich der Gala auf der Venus: „Leben und leben lassen“.

 

Vielen Dank für Ihre Zeit.

 

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